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Welcome to my Ghost World | Kapitel 4

Ich fass es nicht! Jetzt sind wirklich die 4000 € geknackt. Ich bin wirklich sprachlos. Danke, danke, danke!
Ihr ahnt es sicher, hier kommt Kapitel 4. Wie auch die bisherigen Kapitel noch unlektoriert und unkorrigiert. Kann also sein, dass sich hier und da noch ein wenig was am Text ändert und ich habe ganz sicher noch nicht alle Fehler gefunden. (Dabei helfen mir Tino und Nadine.)

Bei Kapitel 1 anfangen. Hier geht’s zu den Content Notes.


Die Matheübungen habe ich längst aufgegeben, liege erschöpft in meinem Bett. Ich sollte weiter lernen, aber ernsthaft, ich habe keine Ahnung wofür ich trigonometrische Funktionen jemals wieder brauchen sollte. Ich bezweifle sehr stark, dass der Mist nach dem Abschluss nützlich ist, geschweige denn, dass ich je wieder davon hören werde. Mein Block und das Mathebuch liegen irgendwo an meinen Füßen. Lieber schaue ich durch das Dachfenster. Die Feuchte des Herbstes liegt darauf und dahinter verbergen Wolken die Sterne. Wegen der Schreibtischlampe, die etwas Licht ins Zimmer wirft, kann ich eine Reflektion von mir im Fenster sehen. Störend. Etwas dass da nicht hingehört.
Ich denke so lange darüber nach, dass ich mich schließlich auf die Seite drehen muss, um meine Gedanken zu unterbrechen und nicht wieder in einer Welle aus Selbsthass zu ertrinken. Beim Umdrehen, berühre ich versehentlich mein Smartphone. Mona hat geschrieben. Allerdings nicht mir, sondern in der Trainingsgruppe. Auf meine Nachrichten reagiert sie schon ewig nicht mehr. Mit einem Finger schiebe ich das Smartphone langsam in Richtung der Bettkante. Dem Abgrund entgegen, bis es schließlich mit einem Rumpeln auf dem Teppichboden landet. Mein Blick fällt auf meine Tasche die ich heute in der Schule dabei hatte und ich richte mich auf. Das Notizbuch.
Ich ziehe die Tasche heran und das Buch das ich gefunden habe fällt heraus. „Welcome to my Ghost World“, begrüßt es mich wieder als ich es aufschlage. Kurz verweile ich auf der ersten Seite. Sie gefällt mir. Die Schrift, die wunderschönen Verzierungen, das kleine Gespenst. Die vielen Details. Und dass es schwarz ist. Ich weiß, das reinste Klischee, aber was soll’s?
Vorsichtig blättere ich auf die nächste Seite. Es zeigt eine Frau, die sich ihren Pullover über den Kopf zieht. Die Linien sind fein, der BH und der Pullover der Frau schwarz, ihre Haut weiß, mit linierten Schattierungen. 
Auf der nächsten Seite verschiedene Versuche von Händen, auf der Seite danach Augen und Lippen. Alles mit einem schwarzen Stift gemalt.
Es folgt eine nackte Frau, die auf einer Wiese zwischen Totenschädeln sitzt. Ein Arm verdeckt ihre Brüste, der andere verschwindet zwischen ihren Schenkeln. Ihr Gesicht scheint zu den Schädeln zu blicken, doch es ist von ihren Haaren verdeckt. Viele, viele einzelne Linien.
„Dir gefallen die Zeichnungen.“
Der Schreck zuckt durch mich, wie ein Blitz. Ich kann die Beine nicht schnell genug aus dem Schneidersitz befreien, während ich gleichzeitig aufspringen will und rutsche ungeschickt vom Bett. Lande neben meinem Smartphone. Mein Po schmerzt.
„Was zur Hölle?“ Meine Stimme ist schrill und laut und klingt kein bisschen nach mir.
Am Fußende neben meinen Mathehausaufgaben sitzt eine dunkelhaarige Fremde, etwa in meinem Alter und hat überrascht den Mund geöffnet.
„Du kannst mich hören?“, fragt sie verdutzt.
Ich packe die Glasflasche auf meinem Nachttisch, das einzig Greifbare, was einer Waffe am nächsten kommt.
„Was machst du in meinem Zimmer?“, blaffe ich die Fremde an.
Sie sieht sich um, betrachtet den Raum, als sei ihr bis in diesen Moment nicht klar gewesen, dass sie hier ist.
„Wie bist du hier reingekommen?“
Sie macht keine Anstalten zu antworten, betrachtet mit ihren dunklen Augen einfach jedes Detail meines Zimmers. Ich nutze den Moment und mache vier schnelle Schritte zur Tür, reiße sie auf und schreie nach meiner Ma.
„Du sollst nicht durchs Haus schreien“, ruft sie von unten zurück. Aber ich kann hören, dass sie sich nähert.
Noch immer sitzt die Fremde nur da, betrachtet nachdenklich das Notizbuch, das ich noch in der Hand halte. „Woher hast du das?“, fragt sie schließlich.
Im selben Augenblick steht Ma in der Tür, eine kleine Falte zwischen den Brauen.
„Du sollst nicht so durchs Haus brüllen“, wiederholt sie zum tausendsten Mal. Offenbar steht mir die Angst ins Gesicht geschrieben, denn direkt danach fragt sie: „Geht es dir gut?“
Mein Kopf zuckt in Richtung des Bettes. Ma sieht hin und mich dann wieder an.
„Brauchst du Hilfe bei Mathe?“, hakt sie nach und geht zum Bett, um den Block in die Hand zu nehmen und sich mein Problem genauer anzuschauen. Ihre Hand gleitet direkt durch die Unbekannte die dort sitzt, als sei sie aus Luft. Die Wasserflasche fällt mir aus der Hand und landet mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden.
„An welcher Aufgabe scheitert’s?“, fragt Ma und sieht mich an. „Meine Güte, Lu, was ist los?“ Sie lässt die Sachen wieder aufs Bett fallen und kommt zurück zu mir. Packt mich bei den Schultern. „Du bist ganz blass.“
Die Unbekannte sitzt nur da, am Ende meines Bettes, und es scheint sie keineswegs zu stören, dass erst die Hand meiner Mutter und dann meine Mathesachen irgendwie durch ihren Körper geglitten sind.
„Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“ Mas Hand landet auf meiner Stirn, um zu prüfen, ob ich Fieber habe.
„Hast du … ich bin … kannst du sie nicht –?“, stottere ich. Mein Gehirn ist voll darauf konzentriert an Sauerstoff zu gelangen und nicht in Panik zu geraten.
„Lu, du machst mir Angst. Was ist los mit dir?“
„Mir geht’s nicht gut“, gebe ich zu und habe das Gefühl, dass meine Beine jeden Moment einfach in sich zusammenbrechen und mein Gewicht nicht mehr tragen können. Wie die kleinen dünnen Streichholzbeine einer Kastanienfigur.
Ma nimmt mir das Notizbuch ab, das ich noch immer halte und wirft es aufs Bett zu meinen Schulsachen. Der Blick der Fremden folgt dem Buch, bis in ihren Schoß, nur dass es nicht in ihrem Schoß liegen bleibt, sondern durch sie hindurch fällt.
Ich schnappe nach Luft.
„Komm, komm“, drängt Ma. Und schiebt mich aus dem Zimmer. „Dani, kannst du bitte Teewasser aufsetzen?“, ruft sie nach unten, trotz der nicht-durchs-Haus-schreien-Regel. Mich schiebt sie ins Badezimmer und drückt mich auf den Rand der Badewanne. Ohne mich zu lange aus den Augen zu lassen, greift sie nach einem Waschlappen, den sie nass macht und mir dann auf die Stirn drückt. Keine Ahnung, was genau das bewirken soll, aber ich weiß ja auch nicht, was die richtige Herangehensweise ist, wenn man gerade wirklich und leibhaftig einen Geist gesehen hat.
Kann das sein? Ein Geist?
Ich halte den Waschlappen an meine Stirn, als sei er alles, was mich davon abhält, völlig durchzudrehen und schließe meine Augen.
„Ist dir Mamas Essen nicht bekommen?“ Obwohl Ma versucht einen Witz zu machen, kann ich hören, wie besorgt sie ist.
„Weiß nicht“, gebe ich zu. Und das ist nicht mal gelogen. Vielleicht war wirklich was mit dem Essen nicht in Ordnung. Oder der Schlag von Wieber. Sehe ich deswegen jetzt fremde Menschen in meinem Zimmer? Ich reiße die Augen auf und sehe mich um, ob auch im Badezimmer irgendwelche Leute sind, die dort nicht hingehören.
„Vielleicht wirklich das Essen“, sage ich als ich Mas besorgten Blick wahrnehme. Daraufhin nimmt sie die Wärmflasche aus einer der Schubladen und zieht mich wieder auf die Beine.
„Los, ab auf die Couch mit dir“, bestimmt sie.
Sie lotst mich die Treppe herunter, als wüsste ich nicht, wie man diese benutzt und drückt mich auf die Couch, ehe sie in die Küche geht. Ein kurzer Wortwechsel zwischen meinen Müttern, den ich wegen dem Rauschen des Wasserkochers nicht verstehen kann und schon ist Mama mit der Wärmflasche da, zwingt mich, mich hinzulegen und legt sie mir auf den Bauch. Sie zieht gerade eine der Wolldecken über mich als Ma mit dem Tee auftaucht.
„Mir geht’s gut“, sage ich, weil es mir nun doch langsam zu viel wird so bemuttert zu werden.
„Hm“, brummt Ma und nun legt auch Mama kurz ihre Hand prüfend auf meine Stirn. „Ach mein Baby“, säuselt sie und lässt sich dann neben mir auf dem Sofa nieder, damit sie meinen Kopf streicheln kann. Ma stellt den Tee auf dem Tisch ab und setzt sich in einen der Sessel. Es riecht nach Pfefferminz. Im Fernsehen laufen Nachrichten und verkünden allabendlich den Tod und das Verderben auf diesem Planeten. Ich seufze und mache die Augen zu.
„Brauchst du die Magentropfen?“, fragt Mama.
Ich schüttele den Kopf. „Nein, nur kurz ausruhen. Geht gleich wieder.“ Hoffe ich.
Erst durch die Hitze der Wärmflasche merke ich, wie kalt meine Finger sind. Ich denke darüber nach, was die bessere Option ist: Eine Lebensmittelvergiftung die einen halluzinieren lässt oder tatsächlich Geister sehen. Puh, keine leichte Entscheidung. Bei Ersterem sollte mir vermutlich der Magen ausgepumpt werden oder sowas. Aber anders kann es doch nicht sein. Oder?
Mir dröhnt der Schädel als hätte ich den ganzen Tag ohne Ohrenschutz neben einem Presslufthammer gesessen. Die Stimme der Nachrichtensprecherin macht es nicht besser. Ich würde lieber in meinem Bett liegen, wo ich meine Ruhe habe. Aber …
„Ma?“, frage ich leise und kann hören, wie sie sich in ihrem Sessel bewegt. „War in meinem Zimmer irgendwas Merkwürdiges?“
Kurzes Schweigen, vermutlich ein Blickaustausch meiner Mütter, dann fragt sie: „Außer der merkwürdigen Matheaufgaben? Nein, da war nichts Komisches.“
Ich muss lächeln. Gleichzeitig macht es mir Angst, was ich gesehen habe. Wen ich gesehen habe. Ist sie immer noch da? Wartet da oben auf mich, bis ich wiederkomme? Herrje.
Die Wärme unter der Wolldecke lullt mich ebenso ein, wie das Gefasel aus dem Fernseher. Meine Gedanken werden wirr und wirrer, bis sie schließlich zu einem erschöpfenden Mix aus Wachsein und Träumen werden.
Eine nackte Frau, die ihr Kopf hebt und unter ihren Haaren taucht das Gesicht der Fremden auf. Buster, der meinen Teller leer isst und dann Durchfall im ganzen Haus verteilt. Meine Ma, die leise etwas zu Mama sagt. Mona, die lacht als Wieber mir eine verpasst und mein Gesicht mit spitzen Schlüsseln zerkratzen will. Was er nur nicht schafft, weil meine Haare abreißen und in seinen Händen zu einem schlangenartigen Monster werden, das ihn verschlingt.
Ich schrecke auf.
Das Wohnzimmer ist dunkel, der Fernseher aus und meine Mütter vermutlich im Bett. Buster liegt an meinen Füßen, was er eigentlich nicht darf, aber wenn ich krank bin, können die beiden einfach nicht nein sagen. Ich setze mich auf, was ihm einen Schnarcher entlockt. Verschlafen streichle ich ihm den Kopf.
Bis auf die erschlagende Müdigkeit fühle ich mich besser. Ich nehme einige Schlucke vom Tee, der auf dem Tisch kalt geworden ist.
Es war Einbildung. So muss es sein. Oder wirklich eine Lebensmittelvergiftung oder sowas. Es gibt eine Erklärung, für das was ich glaube gesehen zu haben.
„Buster, wach auf“, flüstere ich und stupse ihn ein paar Mal sachte an.
Mag sein, dass ich mir alles eingebildet habe, trotzdem fühle ich mich sicherer, wenn der Hund mich nach oben begleitet. Er gähnt quiekend, schüttelt den Kopf, als wolle er die Müdigkeit damit loswerden und hüpft schließlich vom Sofa. Erwartungsvoll sieht er mich im Halbdunkel an. Ich stehe auf, wickle die Wolldecke um mich und hole tief Luft.
„Na dann mal los“, sage ich mehr zu mir als zu Buster. Mama hat im Flur eine der kleinen Lampen angelassen, damit ich nicht im Dunkeln die Treppe hoch muss. Buster trottet neben mir her. Es wäre mir lieber, er würde vorgehen und die Lage checken, aber ich befürchte, dafür taugt dieser treudoofe Mischling nichts.
Vor meinem Zimmer bleibe ich stehen und mache mich darauf gefasst, die Fremde wiederzusehen. Ich spähe durch die halbgeöffnete Tür, aber das spärliche Licht das aus dem unteren Flur nach oben dringt, reicht gerade mal, um sich nicht an irgendeiner unliebsamen Ecke den Zeh zu stoßen.
Mit dem Fuß stoße ich sanft die Tür auf.
„Buster, such“, befehle ich und unser Hund blickt mich ein bisschen skeptisch an. Trotzdem tapst er ins Zimmer. Zwar checkt er nicht jeden Winkel des Raums, wie ich es gerne hätte, aber er springt aufs Bett und macht es sich dort bequem. Was wohl so viel heißt wie: alles safe.
Ich schalte das Licht an, um selbst nachsehen zu können. Und tatsächlich, das Zimmer ist leer, bis auf den Hund und mich. Ich schalte das Licht wieder aus und stakse zum Bett. Schiebe mich, noch immer in der Wolldecke eingewickelt, unter meine Bettdecke. Doppellagiger Sicherheits-Burrito. Busters Atem wird schnell schwer, wie unten auf dem Sofa, und ich schaue mir noch eine ganze Zeit die Sterne durchs Dachfenster an, die doch noch von den Herbstwolken freigegeben wurden, ehe auch ich endlich einschlafe.


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